Wiegenlied (Audiodeskription)
Das Farbvideo Wiegenlied von Alexander Schmidt thematisiert die psychische Resilienz in Extremsituationen – etwa in politischer Gefangenschaft oder im Widerstand. Es knüpft an tiefe Klangerinnerungen an, wie ein Wiegenlied aus der Kindheit, das Schutz und Geborgenheit schenkt. Solche inneren Anker – gebunden an Räume, Begegnungen oder frühe Lektüren – werden in Zeiten existenzieller Bedrängnis zum Halt.
Die Tänzerin Pilar Murube entwickelt dazu eine frei improvisierte Choreografie. In fast völliger Dunkelheit werden nur ihre Arme und Hände von einem schmalen, seitlich einfallenden Streiflicht erfasst. Die Haut leuchtet kühl, der Hintergrund versinkt im Schwarz, als würden die Konturen aus der Finsternis geschnitten.
Zu Beginn liegen ihre Hände aufeinander, die Finger der unteren Hand ertasten sanft die Innenfläche der oberen. Dann lösen sie sich, gleiten gegeneinander, reiben sich kurz und wölben sich wieder. Die obere Hand gleitet über die untere, umfasst sanft deren Finger. Die Berührung ist vorsichtig, fast tastend, bevor sich die Hände ineinander verschränken, fest, aber ruhig. Langsam drehen sie sich um die eigene Achse, öffnen sich, lösen sich.
Nun liegt die linke Hand in der rechten, während Arm, Hals und ein Teil des Gesichts schemenhaft sichtbar werden. Die rechte Hand streicht mit der Außenfläche über die Innenfläche der linken, führt sie an den Halsausschnitt, bleibt im Schatten. Die Handflächen berühren sich erneut, gleiten ineinander, während der rechte Unterarm in fließender Bewegung die linke Hand führt.
Die Gesten werden größer: Die rechte Hand streicht über die Innenseite des linken Unterarms, sie wölbt sich, die Finger entspannt geöffnet. Die linke kommt von unten, umfasst die rechte Hand locker, führt sie in kreisförmigen Bewegungen. Beide Hände formen eine fast geschlossene Schale, eine stützende Umarmung in der Luft.
Der rechte Arm hebt sich über den Kopf, der linke verläuft quer davor und umfasst sanft den Oberarm, als wolle er ihn halten. Die Arme bilden eine geschwungene Linie, aus der Dunkelheit hervorgehoben durch das Streiflicht. Murube führt ihre Hände an den Mund, küsst die Innenflächen und wiegt sie sanft hin und her, Arme und Hände verschlingen sich wie Flügel. Die Bewegung wiederholt sich, ihre Hände gleiten über das Gesicht, berühren die Wangen, tasten einander ab.
Der linke Arm liegt waagerecht am unteren Bildrand, der rechte greift sanft den Daumen der linken Hand – eine kontrollierte, beinahe zögerliche Berührung. Dann stehen beide Hände vor der Brust wie in einer Gebetsgeste, die Fingerspitzen fast am Kinn. Sie verhaken sich, gleiten auseinander, umkreisen sich, betasten den Unterarm entlang bis zur Schulter und zurück.
Vor dem Gesicht stehen die Handflächen einander zugewandt, ein schmaler Spalt dazwischen. Die Fingerspitzen nähern sich tänzelnd, ohne sich zu berühren, umkreisen sich, lösen sich, suchen sich wieder. Sie streifen das Gesicht, schmiegen sich an, als wären die Hände lebendige Wesen. Eine Hand bedeckt das Gesicht, der Kopf wiegt sich sanft. Pilar Murubes Hände streichen den eigenen Hals, das Brustbein, die obere Brust, folgen der Wölbung des Oberkörpers.
Schließlich liegen sie flach übereinander auf der Brust, die Arme angewinkelt, und vollführen erneut die wiegende Bewegung. Die Fingerspitzen streicheln sich sanft, das Licht schwindet, bis alles in tiefem Schwarz versinkt.
