Lilo Verhörprotokolle (Untertitel)

[Der Film bezieht sich auf das Verfahren gegen die aus politischen Gründen verurteilte kommunistische Widerstandskämpferin Liselotte Herrmann. Anfang Juni 1937 vom Volksgerichtshof Stuttgart zum Tod verurteilt, wurde sie am 30. Juni 1937 in das Frauengefängnis Berlin Barnimstraße überstellt. Dort fanden ergänzende Vernehmungen statt, die das Todesurteil nicht änderten. Die folgenden gesprochenen Passagen sind authentische Auszüge aus Verhörprotokollen in Berlin 1937, aus früheren Verhören 1936 in Stuttgart sowie aus Briefen Herrmanns aus der Haft in Stuttgart an ihre Eltern.]

[Nina Kurzeja in der Rolle Herrmanns, als einziger Sprecherin im gesamten Film:] „Mein Herr, was wollen Sie von mir? Ich bin für Sie eine Tote, und Tote sprechen nicht mehr." [Elektronischer Sound: zwei dumpfe metallische Schläge, dann ein stärkerer Schlag, wie fallende schwere Tropfen mit abwärts gleitendem Nachhall. 9 Schläge im Rhythmus, verteilt auf 9 Sekunden. Zum Ende elektronisches Knistern.]

[Sphärisches Zischen. Die eingangs beschriebene rhythmische Schlagfolge erklingt erneut und bildet als Klangcollage einen atmosphärischen Untergrund zum gesprochenen Text.]

[Alle Zitate von Nina Kurzeja. Ihre Stimme erklingt in überlappenden Fragmenten; die Enden verklingen, während das nächste Satzstück bereits einsetzt. Die Sprachspuren überlagern sich zu einer vielschichtigen Klangfläche, getragen von der Klangcollage:] „Ich bleibe nach wie vor dabei, dass ich nur eine Lichtpause gefertigt habe und diese zu Hause aufbewahrt habe." „Wenn man glaubt, ich hätte bereits eine Lichtpause weitergegeben und mich deswegen verurteilt, dann gibt es eben einen Justizmord mehr." „Wenn man glaubt…" „…mich deswegen verurteilt…" „…diese Lichtpause weitergegeben…" „…dann gibt es eben einen…" „Ich habe nicht mehr zu gestehen, als ich seither angegeben habe." „…diese bei mir zu Hause aufgefunden…" „Ich werde auch bei Gegenüberstellung mit Wieland bei meinen Angaben bleiben." „Ich bitte aber, dass diese Gegenüberstellung vor Gericht nicht von der Polizei vorgenommen wird."

[Zitate aus Verhörprotokoll vom 9. März 1936 in Stuttgart, weiterhin eine Stimme in überlappenden Fragmenten:] „In dem Wort ‚Gericht' liegt wenigstens noch etwas von dem Worte ‚Recht', während man bei der Polizei überhaupt kein Recht hat." „Sonst kann ich nichts mehr angeben, als ich seither angegeben habe." „Ich habe nichts mehr zu gestehen, als ich seither angegeben habe."

[Wiederholungen und Überlagerungen der Sätze, Fragmente klingen aus, während neue einsetzen:] „Bleibe nach wie vor dabei, nur eine Lichtpause gefertigt zu haben…" „…diese bei mir zu Hause aufbewahrt zu haben." „Ich habe nichts mehr zuzugestehen." „Wenn man glaubt, ich habe bereits eine Lichtpause weitergegeben und mich deswegen verurteilt, dann gibt es eben einen Justizmord mehr." „Seither angegeben habe…" [Die Sprachfragmente verweben sich mit elektronischen Klängen, bis ein rauschhaftes Klangwirrwarr entsteht. Das Tempo steigert sich, bevor es wieder in den ursprünglichen Takt metallisch-hohler Schläge zurückkehrt.]

[Unterlegt von den metallischen Klängen werden weitere Zitate und Briefauszüge aus Herrmanns Haft in Stuttgart an ihre Eltern gelesen. Stimme weiterhin in überlappenden Fragmenten:] „Es ist mir Schmerz zu gehen und auch von meinem Kind Abschied zu nehmen. Aber noch schwerer ist es, dass ich weiß, dass unser Volk dem Kriege zustimmt." „…, dass unser Volk dem Kriege zustimmt…" „noch schwerer ist es, dass ich weiß, dass unser Volk dem Kriege zustimmt." „Mein Herr, was wollen Sie von mir? Ich bin für Sie eine Tote." „…auch von meinem Kind Abschied…aber noch schwerer ist es, dass ich weiß, dass unser Volk…"

[Weitere Fragmente, von elektronischen Klängen teils überlagert:] „Der Zoo wird Euch und den Kindern…" „…etwas vom Worte ‚Recht'…" „…während man bei der Polizei…" „…Gericht, wenigstens noch etwas…" „…habe nichts mehr zuzugestehen…" „Ich kann auch bei Gegenüberstellung mit Wieland bei meinen Angaben bleiben." „Ich bitte aber, dass diese Gegenüberstellung vor Gericht und nicht von der Polizei vorgenommen wird." „Im Wort ‚Gericht' liegt wenigstens noch etwas von dem Worte ‚Recht', während man bei der Polizei überhaupt kein Recht hat." „Sonst kann ich nichts mehr angeben." „Habe ich ja im vorigen Jahr…" „Ich habe nicht mehr zuzugestehen." „Mein Herr." „Tote." „Es ist mir Schmerz zu gehen und auch von meinem Kind Abschied zu nehmen. Aber noch schwerer ist es, dass unser Volk dem Kriege zustimmt." „…bei Gegenüberstellung mit Wieland…" „Ich habe nicht mehr zuzugestehen, als ich seither angegeben habe." „Mein Herr, was wollen Sie von mir? Ich bin für Sie eine Tote und Tote sprechen nicht mehr." [Rasche Folge schnarrender metallischer Klänge.] „…und Tote sprechen nicht mehr."

[Weitere Auszüge aus Briefen Herrmanns an ihre Eltern während der Haft in Stuttgart. Stimme weiterhin in überlappenden Fragmenten:] „Wie schön man mit dem Apparat Blumenbilder aufnehmen kann…" „Der Zoo wird Euch und den Kindern im Sommer viel Freude machen." „Ich würde mich freuen, wenn Ihr mir beim nächsten Besuch auch einige von den dort gemalten Tierbildern zeigen könntet." „Wie schön man mit dem Apparat Blumenbilder aufnehmen kann, habe ich ja im vorigen Jahr an der Fliederknospe gesehen." [Der Klangteppich verstummt.]