Schleier Baraye (Untertitel)

Die Tanzperformance von Pilar Murube wird begleitet von einer A-cappella-Version des iranischen Protestlieds „Barāye" von Shervin Hajipour. Das Lied erklingt auf Persisch im Duett der ukrainischen Sopranistin Viktoriia Vitrenko und der iranischen Mezzosopranistin Paria Tavakoli Dinani. Im dialogischen Wechselgesang wiederholt der Sopran das Wort „Barāye". „Barāye" bedeutet auf Deutsch „für" oder „wegen" und bildet das klangliche Leitmotiv des Protestsongs. Der Mezzosopran antwortet mit melodischen Phrasen, in denen die einzelnen Protestgründe zum Ausdruck kommen.

Nach etwa einer Minute singen beide Stimmen gleichzeitig in höherer Tonlage. Der Gesang wird eindringlicher und erinnert an ein Klagelied, wobei „Barāye" wie ein Refrain erklingt. Bald darauf lösen sich die Stimmen wieder voneinander. Der Sopran übernimmt erneut den „Barāye"-Gesang, während der Mezzosopran nun in tieferer Lage und ruhigerem Tempo antwortet. Am Ende vereinigen sich beide Stimmen erneut und halten die letzte Silbe von „Barāye" auf einem Ton, in gleichbleibender Melodie und geringer Modulation aus. Der Ton schwindet langsam, bis für wenige Sekunden Stille eintritt.

Das Lied Shervin Hajipours entstand als unmittelbare Reaktion auf den Tod der 22 Jahre alten Kurdin Jina Mahsa Amini im September 2022. Sie wurde von der Sittenpolizei in Teheran festgenommen, weil ihr Kopftuch angeblich nicht den Vorschriften entsprach. Berichten von Zeug:innen und Menschenrechtsorganisationen zufolge erlitt sie während der Haft schwere Misshandlungen und fiel in ein Koma. Nur drei Tage nach der Festnahme verstarb sie. Ihr früher Tod löste eine breite Welle der Empörung und Proteste nicht nur im Iran aus.

In sozialen Medien teilten Menschen ihre persönlichen Beweggründe für öffentliche Demonstrationen. Shervin Hajipour sammelte diese Stimmen auf Twitter und verarbeitete sie zu dem eindringlichen Liedtext seiner Komposition „Barāye". Die darin formulierten Zeilen greifen vielfältige individuelle und gesellschaftliche Missstände auf, von Umweltzerstörung bis hin zu Freiheitsentzug.

In der deutschen Übersetzung heißt es unter anderem: Für das Tanzen auf der Straße. Für die Angst, sich zu küssen. Für meine Schwester, deine Schwester, unsere Schwestern. Für den Wandel überholter Denkweisen. Für die Frau, das Leben, die Freiheit.